Selbstermächtigung

👉 Wie erlangt ein Mensch Selbstermächtigung, wenn Teile seines Handelns von unbewussten, vorsprachlichen oder emotionalen Mechanismen gesteuert werden?

Und die Verknüpfung mit einem systemischen Werkzeug: dem Repräsentanten für „…und was es sonst noch sein könnte“.


🔍 Ausgangspunkt

1. Verhalten ≠ bewusste Entscheidung

  • Moderne Neuro- und Kognitionswissenschaft bestätigt eine Vermutung:
    Der Großteil unseres Denkens und Entscheidens passiert implizit, schnell, emotional gesteuert und nicht-reflektiert.
  • Kahneman spricht hier von „System 1“ (intuitiv, assoziativ, schnell) vs. „System 2“ (reflektiert, logisch, langsam).

2. Unbewusstes ≠ irrational, aber intransparent

  • Das Unbewusste arbeitet mit Bildern, Affekten, Körperzuständen – nicht mit Sprache oder Logik.
  • Es ist nicht kontrollierbar, aber beeinflussbar – z. B. durch Rituale, Symbole, Aufstellungen.

3. Selbstermächtigung setzt Bewusstwerdung voraus

  • Wenn ich „machtvoll über mein Tun“ sein will, muss ich erst erkennen, wer oder was gerade „steuert“.
  • Diese Steuerungsinstanzen sind oft: alte Bindungsmuster, nichtintegrierte Emotionen, Antreiber, Narrative – oder eben: „was es sonst noch sein könnte“.


🧠 Wissenschaftlich anschlussfähige Interpretation

Mechanismus

Beschreibung

Anschluss an Kognition

Unbewusste Einflussgrößen

Emotionen, Schemata, implizite Überzeugungen beeinflussen Entscheidung & Verhalten.

Predictive Coding: Das Gehirn nutzt vergangene Erfahrungen für Vorhersagen, ohne bewusste Kontrolle.

Symbolische Repräsentation

Ein „offener“ Repräsentant („was es sonst noch sein könnte“) erlaubt Zugang zu diffusen Einflussgrößen, die sonst keinen Namen haben.

Extended Mind / Externalisierung: Das Gehirn lagert Repräsentationen aus, um sie rekonstruieren zu können.

Somatische Marker

Körperreaktionen (z. B. „Ziehen im Bauch“) zeigen an, dass unbewusste Bewertungen stattfinden.

Damasio: Emotionen sind notwendig für vernünftiges Entscheiden. Ohne sie sind wir rein rational entscheidungsunfähig.

Metakognition & Aufmerksamkeitssteuerung

Bewusstheit über das eigene Denken – und der bewusste Umgang mit inneren Anteilen – ist trainierbar.

GNWT: Nur was global im Netzwerk verfügbar ist, wird bewusst. Symbolarbeit kann Inhalte in diesen Workspace heben.


🔶 Warum „…und was es sonst noch sein könnte“ wirkt

  1. Erlaubt Emergenz
    Ohne festen Namen wird der Repräsentant zu einer offenen Projektionsfläche. Das Gehirn kann Inhalte „andocken“, die bisher keinen Platz hatten. Das erzeugt oft Irritation, aber auch Einsicht.
  2. Bypasst die Ratio
    Da es keinen Begriff, keine Analyse, keine Geschichte dazu gibt, kann der Verstand nicht abblocken. Die „Kontrollinstanz“ ist ausgeschaltet – und das Unbewusste kann sichtbar werden.
  3. Fördert Selbstkontakt durch Resonanz
    Der Klient reagiert körperlich, emotional, intuitiv auf den Repräsentanten. Das ist kein „Verstehen“, sondern ein „Spüren“ – und öffnet Räume jenseits von Argumenten.
  4. Sichtbar machen = gestaltbar machen
    Solange unbewusste Dynamiken im Dunkeln bleiben, bleiben sie autonom und determinierend. Werden sie sichtbar, sind sie verhandelbar, transformierbar, integrierbar.


🔓 Fazit: Selbstermächtigung ≠ Kontrolle, sondern Integration

Du willst „machtvoll über dein Tun“ sein. Das bedeutet nicht, alles zu beherrschen, sondern:

Zu wissen, was (mit)wirkt.
Zu spüren, wo ich Handlungsfreiraum habe.
Zu akzeptieren, was nicht änderbar ist – aber damit zu arbeiten.

Die Aufstellung von „…und was es sonst noch sein könnte“ ist kein Trick, sondern eine radikale Öffnung für das Nicht-Gewusste – und damit eine hochrationale Strategie, wenn man Selbstbestimmung nicht mit Illusion von Kontrolle verwechselt.